Only survive ~ previously

Jack
stand an der Tür, weit entfernt von Will. Er hatte die Beine leicht überkreuzt und sich mit verschränkten Armen in den Türrahmen gelehnt. Er beobachtete den Jungen. Er war zwar unheimlich schmächtig und nicht gerade groß, aber trotz seiner blassen Haut strotzte er vor Gesundheit und war kein schlechter Kämpfer. Trotzdem war er sehr leichtsinnig, ziemlich impulsiv. Doch das kannte Jack irgendwoher...
Kurz dachte er an die kurze Unterrichtsstunde, daran, ob Will sich bereits einen Eindruck gemacht hatte.
Jack drehte sich um und ging zurück in den grauen, düsteren Gang. Mit großen Schritten folgte er ihm bis zu einer Biegung und fand sich schließlich bei den alten Spinden wieder. Fast schmunzelte er. Sie waren dort, wo er sie das letzte Mal gesehen hatte. Nicht viel heruntergekommener, als sie ohnehin schon gewesen waren. Das bunte, schon ausgebleichte Metall war teilweise eingebeult und bei vereinzelten Türen sogar gerissen. Der Lack war leicht abgebröckelt, zeigte an diesen Stellen billigen Stahl, der bereits Rost zeigte.
Der junge Lehrer ging gezielt auf einen dieser Schränke zu, betrachtete das Schloss, das unversehrt aussah. Wenn jemand versucht hatte, den Spind zu öffnen, dann war davon nichts zu sehen. Seine Finger fuhren über die raue Oberfläche der Tür, als Jack das verstellbare Rad drehte und nach und nach drei verschiedene Zahlen eingab. Spind 223. Das war schon immer seiner gewesen. Doch von den über 250 Spinden, waren in diesem Stockwerk nur noch knapp die Hälfte zu finden. Und in diesem Moment konnte Jack sich nicht einmal mehr genau erinnern, ob es überhaupt einen zweiten Stock gab.
Mit einem lauten, metallenen Geräusch öffnete er die Tür. Ein leises Quietschen folgte. Schnell blickte er sich um. Als er bemerkte, dass er von niemandem beobachtet wurde, wandte er sich wieder dem Spind zu und ließ seinen Blick über seine verbliebenen, persönlichen Gegenstände schweifen. Er brauchte nichts, aber er wollte sich vergewissern, dass auch wirklich nichts fehlte. Mit einer raschen Handbewegung nahm er einen grünen Rucksack aus dem Schrank, öffnete die kleine Vordertasche und nahm ein zerknittertes Foto heraus. Sein Daumen glitt über das glatte Papier, dann steckte er es weg. Jetzt war er wieder Lehrer. Und dass er der ehemaligen Schule seine Sachen anvertraut hatte, war doch ein guter Anfang. Wenigstens hatte er Vertrauen in das alte Gemäuer.
Ein letztes Mal überblickte er die Sachen, dann schloss er den Schrank wieder und ein lautes Klacken, das im Gang nachhallte, versicherte ihm, dass das Schloss eingerastet war.
Mit einem geistesabwesenden Kopfschütteln ging er zurück, bis zu einer Tür, hinter der er den Waschraum vermutete, so hatte er es zumindest in Erinnerung. Ein Blick in den zerkratzten Spiegel ließ ihn schaudern. Sein Gesicht war verschmutzt, seine Haare hatten das tiefe, leuchtende Dunkelbraun verloren, welches er selbst immer als Schwarz bezeichnet hatte. Unter seinen tiefgrauen Augen zeichneten sich Müdigkeit und Erschöpfung in Form von diken Augenringen ab. Doch am meisten irritierte ihn der Bart. Er hatte vor dem Aufbruch mehrere Tage lang keine Zeit dafür gefunden, sich zu rasieren und auch während der Reise hatte er keine Zeit dafür aufbringen wollen. Nun war aus dem üblichen Dreitagebart ein dichterer geworden, welcher sich von Ohr zu Ohr zog. Es sah nicht umbedingt schräg aus, wie ein alter Herr, es wirkte bloß... älter. Wie vierzig vielleicht, oder fünfunddreißig. Doch dass er einundzwanzig war, das kaufte er sich selbst nicht wirklich ab.
Ein Schnauben entfuhr ihm, als er den Blick abwendete und den Wasserhahn etwas aufdrehte. Natürlich. Wie hatte er das vergessen können. Fluchend verließ er den Waschraum, eilte den Flur entlang und zur Hintertür. Es war schließlich nicht weit, bis zu dem kleinen See.

Will hatte keine Ahnung, dass Jack ihn beobachtet hatte, noch dass dieser eine impulsiven Eindruck von ihm hatte.
Prisco, ja, Prisco war impulsiv.
Manchmal.
Wenn man ihn zu sehr reizte, oder wenn er "Sich selbst im Kampf verlor.", wie er es manchmal ausdrückte.
Ja, Prisco war wahrlich impulsiv, aber Will?

Aber Will wusste, nicht, dass Jack diesen Eindruck von ihm hatte und wusste auch nicht so recht, was er selbst eigentlich von Jack halten sollte.
Sympathisch...
Ja, die Musterantwort...
Aber es traf zu, auch wenn er wohl etwas abschreckend wirkte, mit den tiefen Augenringen und dem dichten Grauschleier über dem wohl einst dunkelbraunen Haar.
Ach der dichte Bart tat dem keinen Abruch, denn er ließ Jack furchtbar alt aussehen, im Vergleich zu seinem wahren Alter, das Will nicht zu schätzen wagte...
Einzig die Muskeln unter der Haut sprühten von jugendlicher Spannkraft, genau wie die dunkelgrauen Augen, die eine gewisse Strenge verstreuten.

Will ließ das Schwert neben sich niedersausen.
Er sollte aufhören über seinen Lehrer derart zu urteilen. Er kannte ihn ja noch nichteinmal richtig...
Er ließ das Schwert leicht an seiner Seite sausen, doch es sah recht ungelenk aus, im gegensatz zu Prisco.

Will ließ den Arm hängen und das Schwert streifte auf dem Boden.
Es war ätzend langweilig so zu trainieren und hoffte inständig auf neue Übungen seitens Prisco...

Will legte den Kopf in den Nacken und besah sich den Stand der Sonne.
Elf Uhr musste sicher schon vorüber sein...
Er kniff die Augen fest zusammen und senkte den Blick.
Seine Augen schmerzten durch den Blick in die Sonne, ein leichter Juckreiz.
Mit zwei Fingern rieb sich Will die Augen und dachte nach.
Ja, alle Übungen musste er wohl durch sein, die Prisco ihm das letzte Mal gezeigt hatte...
Vielleicht würde er selbstständig seine Dolchtechnik verbessern können, ohne Priscos Hilfe...

Jack
erreichte den See. Er war direkt neben dem Gebäude, versteckt zwischen einigen Bäumen und kleineren Büschen, die Jack als Ginster erkannte. Allerings war es wohl die falsche Jahreszeit, um die auffälligen, gelben Blüten zu sehen. Am Ufer kniete Jack nieder, hielt vorsichtig die FIngerspitzen ins kühle Nass. Es war eisig. So eisig, dass er glaubte, unendlich viele Nadeln in den Fingerkuppen zu spüren. Aber es störte ihn nicht sonderlich. Er hatte schon viel Schlimmeres überstanden. Rasch entkleidete er sich und watete ins eiskalte Wasser. Die vielen winzigen Schnitte auf seinen Armen und seinen Beinen brannten, aber mit der Zeit wurde es angenehm. Vorsichtig wusche er sich das Gesicht und die Haare. Seife hatte er seit mindestens fünfzehn Jahren nicht mehr in den Händen gehabt. Aber das war egal.
Jack spürte förmlich den Dreck auf Wangen und Stirn, den er abwusch. Als er wieder seine Kleider anzog, fühlte er sich gleich viel frischer und jünger, aber auch erholt. Zwar hätte das eine gute Portion Schlaf auch getan, aber dazu fehlte ihm nun wirklich die Zeit. Und Zeit war kostbarer, als je zuvor.
Er steckte die Waffe, die er nur ungern abgelegt hatte, zurück in den Gürtel, wo er sie sonst immer trug. Nur so fühlte er sich sicher, wenn er sie griffbereit hatte.
Er ging zurück zum Haupteingang, schließlich in sein Zimmer, wo er aus seinem Rucksack ein frisches Hemd und eine noch nicht allzuoft getragene Jeans holte. Als er sich umgezogen hatte, machte er sich auf den Weg, wieder in die Waschräume, wo er begann, sich zu rasieren. Es war mühsäliger, ohne Rasierschaum, den er früher immer benutzt hatte, aber nicht unmöglich. Nach wenigen Minuten war er den lästigen Bart los, der ihn an seinen Großvater erinnert hatte. Er kannte ihn zwar bloß von Fotos, aber Gesichter hatte er sich schon immer gut merken können.
Zufrieden sah er in den alten Spiegel, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Auch seine Haare würden bald den grauen Ton verlieren und wieder aussehen wie früher. Aber nach so einer langen Reise war es kein Wunder, dass seine Haare leicht ergraut waren.

Prisco bemühte sich um eine regungslos kühle Miene und belastete einzig das durchgestreckte rechte Bein.
Das Linke, das verletzte Bein, ließ er lose auf dem Hallenboden ruhen und gebrauchte es nicht.

Er war sich nicht sicher, ob Bella oder einer der anderen es bemerkt hatte, aber er glaubte fast nicht...
Höchstens vielleicht, als sein linkes Bein gerade eben unter der Belastung gezittert hatte...

Er wagte gar nicht daran zu denken, wie die Standpauke von Bella ausfallen würde, wenn sie bemerkte, dass sein Knie einiges abbekommen hatte und er geschwiegen hatte, anstatt es ihr zu melden - sodass sie die Chance hatte ihn zur Krankenstation zu schicken.
Toben würde sie, denn als seine Lehrerin hatte sie die Pflicht dafür zu sorgen, dass es den Fighter-Schülern gut ging und Trainingsverletzungen behandelt wurden oder gar nicht erst entstanden.
Ja, toben würde sie wohl... vielleicht...
Aber Bella wäre wohl die letzte gewesen, der er gebeichtet hätte, dass er von Will, einem Mover, im Schwerttraining eine gewischt bekomen hatte.
Nein, den Triumpf hätte er ihr vor zwei Tagen niemals gegönnt und auch jetzt tat er das nicht.

Prisco fragte sich wirklich, ob sie es überhaupt bemerkt hatte, doch je mehr er darüber nachdachte, je nervöser wurde er innerlich, denn ihm fiel wieder ein, wie schnell Bella Leeroys "Husten" entschlüsselt hatte.
Die innerliche Unruhe übertrug er jedoch nicht nach Außen, sondern lehnte weiterhin mit geringer Anspannung an der Hallenwand.

Prisco vermochte nicht zu sagen, ob Bella eine Ahnung hatte, doch er war sicher, dass Will kein Wort darüber verloren hatte, zu niemandem, und gesehen haben konnte sie Prisco auch nicht nach dem Training, denn er hatte darauf geachtet ungesehen in das Fighterzimmer abzutauchen und sich dort auszuruhen...
Es blieb also ungewiss, und auch ob einer der anderen etwas bemerkt hatte...
Aisha? Wohl eher weniger.
Noelle? Nein, die schien recht abwesend zu sein?
Leeroy? Konnte sein, seine Sinne waren scharf, aber ob so scharf? Nein, wohl eher nicht, außer der Ältere hatte aus der Entfernung aus dem Augenwinkel eine Veränderung an Prisco wahrnehmen können.
Max? Prisco war sich fast sicher, dass sie am wahrscheinlichsten war, doch auch hierbei war er keineswegs seiner Sache sicher.
Er würde es abwarten müssen, denn er war ziemlich sicher, dass derjenige, der es bemerkte, ihn definitiv darauf ansprechen würde...

Max
bemerkte, dass Priscos Augen unsicher und nach etwas suchend durch die Halle glitten. Was er wohl suchte? Max betrachtete ihn eingehend. Er stand recht seltsam da, wie er sich an die Wand lehnte, das rechte Bein als Standbein genutzt, das Linke als Spielbein. Max dachte sich nichts großes dabei, aber da ihr langweilig war, drehten sich ihre Gedanken um Prisco, der sich zu drücken schien vor der Aufgabe. Andererseits hatte Bella ihn nicht mal angesehen um ihn aufzufordern mit dem Messer zu üben.
Sie zog einen Block aus ihrer Tasche hervor und fing an Prisco zu malen um seine Standposition eingehender zu untersuchen.
Für sie war es wie ein Detektivspiel für kleine Kinder, die herausfinden wollten, wer einen Grashalm ausgerupft hatte.
Erst zeichnete sie Priscos grobe Umrisse, weiter entfernt von ihm Bella und Leeroy. Früher hatte sie Malerin werden wollen.
Sie sah wieder zu Prisco um seine Beine zu malen. Es sah fast so aus, als ob er sich sein Bein verletzt hatte und es entlasten wollte.
Aber dann hätte Bella ihn vom Unterricht befreit.
Vielleicht hatte er sich gestern verletzt? Dann wäre er gestern schon gehumpelt. Weil ihr die Idee der Verletzung plötzlich absurd vorkam, hörte sie auf darüber nachzudenken und malte nur noch.

Noelle blickte Leeroy fragend an „Du kannst auch gern beginnen.“ Als dieser ihr nur mit einem nicken zu verstehen gab, dass er ihr den Vortritt lies ging sie in die Mitte der Halle und blickte Bella erwartungsvoll an. Im Gegensatz zu ihrer Lehrerin lies sie das Messer nicht aus den Augen, aber sie blieb das Messer im Blick stehen um die Bewegung ihrer Lehrerin nachahmen zu können. Anders wie Leeroy bei ihr, hatte Bella auf ihren Arm geziehlt.
Da die Schülerin nicht wusste wie schnell sie die Bewegung machen konnte drehte sie sich schon seitlich, als das Messer noch 15cm entfernt war. In dem Moment als sie nach der Waffe griff bemerkte sie, dass das eine schlechte Idee war.
Die Klinge viel Blutverschmiert zu Boden und Noelle steckte sich fluchend den Finger in den Mund. Der metallische Geschmack breitete sich schnell in ihrem Mund aus und das Mädchen verzog das Gesicht. Sie hoffte es mit einer kleinen Wunde die zwar stark blutete, aber harmlos war,zu tun zu haben. Als sie sich den Finger allerdings genauer ansah wunderte sie sich stark welche Flüche sie kannte. Das Messer hatte gute Arbeit geleistet, es hatte sich genau zwischen erstem und zweiten Gelenk bis auf den Knochen vorgearbeitet.
Mit einem zur Grimasse verzogenem Gesicht und unter anhaltender Fluchflut streckte sie den Finger nach oben in die Luft. „Ich würde es gern nochmal probieren, aber ich glaube das kann ich jetzt gerade vergessen.“ Sie wedelte mit ihrem Finger durch die Luft und das Blut rann über ihre Hand, den Arm hinunter und tropfte auf den Boden. Schnell hob sie die linke Hand unter den Ellbogen um das Blut aufzufangen. Weitere, diesmal aber leisere, fast geflüsterte Flüche, kamen über ihre Lippen.

Leeroy hatte nicht gemerkt, dass Prisco sein Bein entlastet, was aber auch daran liegen könnte, dass er grade mit Bella beschäftigt war. Daher achtete er auch nicht auf allzu viel anderes in der Umgebung, denn das würde sie einem erfahrungsgemäß mit einer eventuell schmerzhaften Lektion heimzahlen. Also war sein Blick fest auf die Lehrerin gerichtete und sobald diese mit Noelle den Wurf und vor allem das Fangen des Messers übte, verzog er leicht das Gesicht. Der Fehler war abzusehen gewesen und er war sich sehr sicher, dass er ihn auch gemacht hätte, wenn er nur mit aller Macht darauf aus gewesen wäre, die Klinge zu fangen. Oder wenn er als Erster dran gewesen wäre.... War er aber nicht und daher analysierte er , was er dort sah und regte sich erst einmal nicht. Schließlich wollte er nicht eingreifen, bevor Bella nicht ihren Kommentar gegeben hatte und er wusste, dass die Verletzung weh tun, aber nicht wirklich gefährlich sein würde. Eine von denen, die unglaublich bluteten , aber nicht wirklich schädlich waren. Sie würde behandelt werden und in einigen Tagen wäre Noelle wieder in der Lage , mit der Hand zu arbeiten. Das Gewebe selbst würde zwar eine Weile brauchen, um wieder komplett zu verheilen, aber das war bei Fleischwunden wie dieser ja nun nichts Neues. Er war nur erstaunt, dass sie fest genug zugepackt hatte, um die Verletzung so tief gehen zu lassen, statt sofort wieder loszulassen, als der Schmerz begann. Da schien jemand entweder nicht ganz da gewesen zu sein oder aber wirklich das Bedürfnis gehabt zu haben, die Klinge auf jeden Fall zu fangen. Er nahm sich vor, dass er sie lieber vorbeifliegen lassen würde, als sie so zu packen. Aber so wie er sich kannte, würde er das ohnehin nicht tun....

Prisco spürte, dass ein Blick auf ihm lag, was ihn nicht weiter wunderte.
Es würde Max sein, die ihre gelangweilten Blicke wieder umherwandern ließ.
Doch dieses Mal war es in sofern anders, als dass der beobachtende Blick sich beinahe in ihn einzubrennen schien.
Er wandte den Kopf ab, als wolle er sich vor Max Blicken verstecken.

Er biss sich auf die Unterlippe und balancierte sein gesamtes Körpergewicht auf dem rechten Bein.
Vorsichtig, ganz vorsichtig, riskierte er einen kurzen Seitenblick zu der Mitschülerin ohne den Kopf zu sehr zu wenden.
Sie hatte etwas hervorgeholt, was Prisco als Block erkannte und hob vorsichtig den Kopf.

Max schien sich auf etwas in ihrer Zeichnung zu konzentrieren und tippte mit dem Bleistiftende auf den Block bevor sie fortfuhr.
Wieder wandte Prisco das Gesicht ab, aber er hatten das leise Gefühl beobachtet zu werden.
Wieder stieg die leichte Panik in ihm auf, dass man es enttarnen würde und es ans Licht käme...
Prisco starrte vor sich zu Boden und biss sich auf die Unterlippe, den schmerz im geprellten Knie fast vergessend.

Will war froh, das Schwerttraining kurzzeitig beenden zu können und steckte es zurück in die Schwertscheide, die er sich über die Schulter legte, sodass die Schwertspitze in die Luft zeigte und die Klinge auf der Schulter lag.
Mit einer Hand tastete Will nach den beiden Dolchen an seiner Seite und wandte sich um.
Ja, er würde sich über weitere Techniken informieren und diese dann mit den Langdolchen üben.
Vielleicht kannte Jack ja auch ein paar, wobei dieser wahrscheinlich keine Dolche führte.

Will ging langsam den Weg zurück, den er hin auch genommen hatte und dachte nach.
Wo hatte er das Buch hingelegt, in welchem er verschiedene Kampftechniken vermerkt hatte, die irgendwann mal zwischen ihm und Prisco gefallen und zu der Zeit jedoch noch zu schwer gewesen waren?
Auf dem Zimmer war es nicht, da war Will sicher und erst recht nicht auf dem Trainingsplatz.
Es blieben nicht mehr so viele Plätze übrig, da er die Schule nicht sooft durchkämmt hatte wie sein guter Freund Prisco und auch sonst sich eher an Plätze hielt, die er kannte.

Im Keller war er gewesen, hatte in der Nähe alter Spinde gelernt und geübt und draußen in dem kleinen Wäldchen.
In der Turnhalle war er höchst selten, eigentlich nie, wenn er so nachdachte.

Also blieb ihm nur die möglichkeit des Kellers und die einiger Gänge.
Im Notfall würde er zur Bibliothek gehen um sich dort nach einem geeigneten Buch zu erkundigen, aber das war nur die Notfalllösung.

Will trat in das Zimmer, das er sich mit Dan, Lucy und Tristan teilte und stieg über die chaotischen Berge der drei anderen hinweg zu seinem Bett.
Buhutsam legte er das Schwert dort nieder, wo er es hergenommen hatte und wandte sich wieder um.
Im Keller war es kühl, was sich durch eine Gänsehaut auf Wills Armen bemerksbar machte, aber das war es hier schon lange.
Die Spinde hatte er gleich erreicht, er konnte sie schon sehen, grau und verbeult, mit Rost überzogen, der sich tief in das einst makellose Metall eingrub.
Will beschleunigte seinen Schritt, bis er vor den Spinden stand.
Da kam die Erinnerung zurück.
Er hatte es in einen Zwischenraum zwischen zweien der Spinde gestellt, damit es nicht umfiel, nachdem er einige der aufgezeichneten Übungen durchgegangen war.
Zielsicher ging er zu Spind Nummer 165, der neben Nummer 183 stand und griff in die Lücke.
Seine Fingerspitzen streiften das Leder des Buchrückens, als er die Finger streckte um es zu fassen zu kriegen, was ihm letztendlich auch gelang.
Er konnte sich nicht erinnern, es so weit nach hinten gestellt zu haben.
Das dunelbraune Leder war stabil und an den Buchrändern leicht abgestumpft.
Der Schimmel hatte es noch nicht angegriffen und auch wasser hatte es noch nicht erreicht.

Will klemmte sich das Übungsbuch unter den Arm und ging mit langen Schritten den anderen Gang herab, der ebenfalls hier herunter führte.
Er kam an mehreren Türen vorbei, allesamt abgeschlossen, bis auf eine, die geöffnet war.
An der blieb Will kurz stehen, aus Neugierde und auch der Vorsicht halber, denn niemand kam normalerweise so weit runter in den keller, da sich niemand wirklich den alten Spinden anvertraute, der perfekte Platz um ungestört zu lernen.

Die Gestalt im Innern konnte Will nicht erkennen, aber sie schien älter als er zu sein. Definitiv war sie größer als er und wohl auch um einiges kräftiger.
Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, sodass ihm das Gesicht verborgen blieb, aber in seinem Innernen glaubte Will zu erkennen, um wen es sich handelte...
"Jack?", fragte er vorsichtig und die Verwirrung war in seiner Stimme zu hören.

Jack
sah den jungen aus wachen Augen an und setzte ein schiefes Lächeln auf. "Will", bemerkte er, musterte den Jungen kurz. Sein jugendliches Gesicht war leicht errötet und einige kleine Schweißperlen waren auf seiner Stirn zusehen. An seinem Gürtel hingen noch immer die beiden Langdolche, ja, alles deutete darauf hin, dass er lange trainiert haben musste.
Jacks Blick fiel auf das Buch mit dem Ledereinband, welches sein Schüler unter dem Arm trug. Doch er sprach ihn nicht darauf an, sondern sah dem Jungen direkt in die Augen.

Lucy
Strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr, lästig wie sie war, wieder vor die Augen fiel. Sie bemerkte, dass Dan ein bisschen zögerte mit dem Vortrag zu beginnen, aber sie hatte Zeit. Wenn Dan nicht als erster wollte, müsste er es nur sagen und sie würde anfangen den Vortrag zu halten.
Sie fragte sich, worüber Dan seinen Vortrag hielt. Sie hatte ihn zwar schon danach gefragt, hatte seine Antwort aber vergessen. Hätte er überhaupt geantwortet oder nur "Überraschung" gemurmelt? Sie wusste es nicht mehr...
Geduldig sah sie zu Thamar. Würde er Dan irgendwann mit Nachdruck auffordern anzufangen?

Will sah Jack in die Augen und wand sich innerlich unter seinem Blick.
Er schien sich in ihn einzubrennen, als wolle er ihm in die Seele blicken.
Will biss sich auf die Zunge und seine Fingerspitzen pressten sich gegen das Leder des Buches, sodass sie vor Anspannung leicht zitterten.

Jack war ihm leicht unheimlich, was die Neonlampe, als einzige Beleuchtung, und auch die stählernen Augen nur unterstrichen.
Sein Name, das war das Einzige, was Jack sagte und Will wusste nicht, ob er nun auf etwas wartete oder ob er ihn so einzig zur Kenntnis nahm.

Jack hatte sich deutlich verjüngt, dadurch, dass er sich den Bart abrasiert hatte und auch den ganzen Dreck abgewaschen hatte.
Der markante Kiefer trat nun deutlicher hervor und Jack wirkte mindestens 20 Jahre jünger...

Eine einzelne Schweißperle lief Will an der Schläfe herab und tropfte auf den Halskragen des T-Shirts.
Will konnte es sich nicht erklären, aber seit er wusste, dass Jack, die Gestalt im Waschraum war, zog sich in ihm doch die Furcht vor diesem zusammen.
Jack wirkte fast bedrohlich in der düsteren Beleuchtung, die lange Schatten auf Jacks Gesicht warfen.
Beinahe wäre seine rechte Hand zum Heft des einen Langdolches geglitten, doch er zwang sich innerlich die Hand weiter schlaff herunterhängen zu lassen.
Will hielt den Blickkontakt solange es ihm möglich war, doch irgendwann hielt er den eisernen Blick Jacks nichtmehr stand und wandte den Kopf nach rechts und starrte zu Boden.
Er war unsicher und spürte Jacks Blick nochimmer auf sich.
Ganz langsam und vorsichtig wandte Will nun wieder den Kopf nach vorne, hatte die Augen aber nochimmer niedergeschlagen.
Eine weitere Schweißperle lief seine Schläfe herab.
Will wusste nicht, ob respekt - oder angsteinflößend Jack besser beschrieb, aber wahrscheinlich war es eine starke Mischung aus beidem, denn nur zögernd hob Will wieder den Blick und ob er wollte, oder nicht, war die Furcht seines Herzens nach außen gekehrt und spiegelte sich in seinen Augen.
Die Schatten auf Jacks Gesicht verbargen seine Nase und seinen Mund, nur die Augen stachen hervor, die ihn nochimmer zu durchbohren schienen.

Jack
s Lächeln wurde ein wenig breiter, vielleicht auch etwas ehrlicher. Er konnte sehen, wie unbehaglich Will sich fühlte und in seinem Alter hatte sich Jack genauso gefühlt. Dem Jungen stand die Angst und auch die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben und er hätte leicht in seinen Augen lesen können.
Nach einer kurzen Weile des Schweigens kam Jack sich merkwürdig vor. Eigentlich hatte er erwartet, Will würde etwas sagen, doch nun bemerkte er auch, dass er sein Lehrer war und Will ihn hier entdeckt hatte und dass er nun an der Reihe war, etwas zu sagen.
Er wandte das Gesicht leicht ab, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Will danach zu fragen, was er hier tat und was das für ein Buch in seinen Händen war, kam ihm unhöflich vor, schließlich ging es ihn nichts an. Also entschied er sich dafür, nicht darauf einzugehen.
"Ich hab mich nur etwas frisch gemacht", erklärte er rasch, fuhr sich nachdenklich mit den Fingerspitzen über die glatte Haut seines Kinns.

Will kam sich ertappt vor und biss sich auf die Unterlippe, während er das Gesicht abwandte.
"Ja. Ich ... wollte... nur ...", sprach Will zögernd. "... das Buch holen... Zum trainieren... Ein guter Freund hat mir geholfen einige Übungen reinzuschreiben. Für den Kampf."
Was redete er da...?
Ein guter Freund hatte ihm geholfen?
Der gute Freund hatte es allein gemacht.
"Eigentlich hat er es mehr oder weniger allein gemacht.", Will runzelte leicht die Stirn, verwundert über sich selbst, und vergaß Jack vor sich für einen Moment.
"Es hilft einem sehr viel.", Jack war wieder in Wills Gedankenwelt aufgetaucht.

Will wusste nicht, was er von Jack halten sollte.
Ein Lächeln schien sich auf sein Gesicht geschlichen zu haben, doch es lag größtenteils im Schatten.

Jack
nickte leicht. "Das ist gut...", murmelte er. "Dass du trainierst, meine ich." Er deutete mit einer Handbewegung auf den Jungen, der nach wie vor blass und dünn war, nur sein immer noch errötetes Gesicht bildete einen enormen Kontrast zu seiner übrigen Hautfarbe.
Jack massierte seinen Nasenrücken. "Tja... ich sollte wieder hochgehen. Weißt du, wann Unterrichtsschluss ist? Ich bin etwas aus dem Zeitplan...", erklärte er und im nächsten Moment fiel ihm auf, dass ihm diese Information überhaupt nichts nützen würde, schließlich war seine Armbanduhr kaputt.

"Unterrichtsschluss?", Will dachte kurz nach.
Vor zwei Jahren hatte er das letzte Mal richtig Unterricht gehabt und seither hatte er immer um 12 Uhr aufgehört, wie die anderen Schüler auch und hatte sich zum Mittagessen aufgemacht.
"Um zwölf... Zumindest machen da die anderen Lehrer Schluss.", Will hob entschuldigend die Schultern.
"Gut... also... ich will dich dann auch nicht aufhalten, Jack...", verflucht... er war schonwieder in die Du-Form gerutscht...
Aber solange Jack sich darüber nicht beschwerte, schien es ja in Ordnung zu sein... oder?

Langsam trat er zwei federnde Schritte zurück, Jack nicht aus den Augen lassend und sich selbst auf die Unterlippe beißend.
Dann wandte er sich blitzschnell um, riss seinen Blick von Jack los und ging mit langen Schritten den Gang weiter herab.
Die Finger krallten sich in den Buchrücken und er starrte zu Boden.
Er würde in ihr Zimmer gehen ... oder besser ... sich in das Chaos stürzen und sich einen Weg hindurchbahnen.
Es wurde wirklich langsam Zeit, dass die anderen drei mal wieder aufräumten...

Will lief nochimmer den Gang entlang und hatte die Augen auf den Boden geheftet.

Jack
nickte, auch wenn Will längst nicht mehr in Sichtweite war. Dann sah er noch ein letztes Mal in den Spiegel und fuhr sich durch das matte Haar, bevor er zurück auf die Flure ging. Es schien noch nicht zwölf Uhr zu sein, zumindest war er der einzige auf dem Gang. Die Ruhe genießend betrat er sein Klassenzimmer. Sein Blick wanderte über die verliebenen, alten Zeichnungen von Schülern, die lange vor seiner Geburt hier zur Schule gegangen waren. Viel, was an sie erinnerte, war nicht übrig geblieben. Die Stille im gesamten Gebäude zeigte nur noch mehr, wie verlassen dieser Ort eigentlich war. Mit geduldigen Schritten umrundete Jack langsam die Tische, bis er bei der Tafel stehen blieb, einige wenige Worte aus Kreide mit einem staubigen Lappen wegwischte, sodass bloß eine weiße Spur zurückblieb. Ein Seufzer entfuhr ihm, ehe er sich an eines der Schülerpulte setzte und die Ellenbogen auf die Tischplatte stützte und das Kinn in die Handflächen. Auch er hatte hier einmal gesessen, sowie Will jetzt. Er hatte hier gelernt, herumgealbert und manchmal sogar geschlafen. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, eines, das nicht annähernd so schief wirkte wie sonst immer.

Max
war halbwegs zufrieden mit dem Bild. Als letzte Schlussstriche zeichnete sie Prisco eine Fahne in die Hand, da er letztes mal beim Fahnenholen gewonnen hatte. Es war eines ihrer Lieblingsspiele. Max nahm sich vor später Bella zu fragen, ob sie es in nächster Zeit, vielleicht sogar heute spielen könnten.
Wenn sie es heute spielen würden, wie würden dann die Teams aussehen ?
Ihr war es egal, ob Verteidigung oder Angriff, Hauptsache nicht direkt bei der Fahne. Sie wollte sich durchs Geäst schlagen und die gegnerische Fahne erobern.

Prisco ließ seine Gedanken schweifen und erinnerte sich an das Spiel, das sie öfters spielten.
Es war bei ihm als "Fahnenkampf" eingeprägt, so nannte er es zumindest bei sich.
Sie versteckten die eigene Fahne und eigentlich war es klug und üblich eine Wache bei dieser zurückzulassen - natürlich versteckt.
Sie spielten dieses Spiel aus wohl dem einen Grund...
Es trainierte ihre Kampffertigkeiten, denn das Spiel wurde mit ihren üblichen Waffen ausgetragen - was bei Max' Lanze ziemlich mies war - und es war sicher und auch nötig, dass sie gegen das andere Team kämpften um sie von der Fahne abzuhalten und gleichzeitig zur Gegnerischen vorzudringen.

Es war recht amüsant mitanzusehen, wie seine Mitstreiter gegeneinander kämpften.
Er selbst bekam eher selten etwas ab, außer einmal ein Messer, das ein Schüler nach ihm geworfen hatte.
Der Junge war ein miserabler Schütze gewesen, und hätte Prisco sich nicht rechtzeitig geduckt, hätte ihm das Messer in die Kehle geschlagen.
So hatte er nur einen tiefen Schnitt über dem Auge davongetragen und die Narbe als Andenken behalten.
Dabei war bei diesem Spiel die einzige Regel, die es gab, einen anderen Fighter nicht gewissentlich zu töten.
Mit Verwundungen musste zwangsläufigerweise leider immer gerechnet werden...

Das letzte Mal, als sie diese Fahnenjagd veranstaltet hatten, hatte er die Fahne für sein Team geholt und er musste zugeben, dass er darauf schon ein wenig stolz gewesen war, etwas für das Team geleistet zu haben...

Ein zweiter Grund Bellas, dieses Spiel auszutragen: Es trainierte die Teamfähigkeiten...
Ja... das tat es wohl auch.

Prisco hoffte inständig, dass sie heute Nachmittag dieses Spiel erneut spielen würden, dann könnte er auch den Kampf mit Leeroy eingehen, sofern der in der gegnerischen Mannschaft war...
Ja, die Chancen standen gut.

Will warf sich auf sein Bett und lehnte sich mit dem Rücken in die Ecke.
Er blickte auf die Uhr hinter der Glasscheibe, die bei der Vier einen kleinen Sprung hatte.
Die Zeiger zeigten ihm die Uhrzeit 11:43 ...
Nichtmehr lange ...
Kaum mehr 20 Minuten hatte er.

Will schlug das Buch auf und blätterte durch einige gelbliche Seiten, die mit Bleistift und Federtinte vollgeschrieben waren.
Dann folgten ein paar leere Seiten, die darauf warteten vollgeschrieben zu werden.
Dann prangte auf der nächsten Seite einzig das Wort "Waffenkunde" und auf den folgenden Seiten war jede einzelne Waffe aufgelistet und beschriftet, die Prisco hatte auftreiben können.
Messer in allen Variationen, Pfeil, Bogen - Lang- und Recouverbogen - , Dolch und Langdolch, Lanze, Axt, viele verschiedene Gewehre, kleinkalibrige Schusswaffen - meist 9 mm - und natürlich auch Priscos Lieblingswaffe: das Schwert in jeglicher Ausführung, ob mit oder ohne Parierstange, mit geradem oder leicht gebogenem Heft oder Klinge, schmale und breite Klingen, Anderthalbländer, Zwei - und Einhänder und viele weitere mehr...
Alle feinsäuberlich aufgelistet, gezeichnet und jedes Einzelteil jeder Waffe beschriftet.
Prisco hatte dem Schwert nicht mehr Feinsäuberlichkeit geschenkt, als jeder anderen Waffe, was Wil verwundert hatte, als er das Buch zum ersten Mal gesehen hatte.

Will blätterte weiter durch verschiedene Grundlehrungen und Handhabungen der Waffen, leichte Tricks und verschiedene Zeichnungen von Schwert- , Messer - und Dolchscheiden, Köchern und Waffenhalfter und und und...

Endlich kam Will zu der Stelle, ab der es jetzt für ihn interessant wurde. Als er sich dann durch die vielen Messer-, Bogen- und so weiter -techniken durchgearbeitet hatte fand er endlich die gesuchten Dolchtrainingseinheiten.
Erst kamen die leichteren Techniken, die er mit Prisco schon durchgearbeitet hatte, doch schon bald steigerten sie sich langsam.
Will runzelte über eine der Übungen die Stirn und starrte mit angestrengten Augen auf die Tintenzeichnung in seinem Schoß und ließ einen der Langdolche wie gezeichnet an der Hand kreisen und ihn dann mit einer stoßhaften Bewegung nach hinten zu stechen und die Klinge dann noch leicht zu drehen... um es vereinfacht und unkompliziert zu erklären, dass es fast zu einfach wirkte.
Doch des Öfteren fiel Will der Dolch aus der Hand und einmal hätte er ihn sich beinahe ins Bein gestochen oder auch einmal in die steinerne Wand hinter ihm.
Nur ein einziges Mal gelang es Will halbwegs, doch der Schwung war zu groß, sodass der Dolchgriff aus seiner Hand glitt und sich ein paar mal in der Luft drehte, bevor Will ihn unbehände wieder mit einer verdrehten Hand auffing.
Will klappte das Buch zu und seufzte.
Dann sah er auf die Uhr.
11:56.
Jack hatte sicher nichts dagegen, wenn Will die letzten vier Minuten einfach nur entspannte.
Er legte sich mit dem Rücken aufs Bett und verschrenkte die Arme hinter dem Kopf.
Seine Sinne waren geschärft und warteten einzig und allein auf den scheppernden Ton, der gleich ertönen würde und die Mittagspause einläutete.

Max
war ein bisschen gelangweilt vom Unterricht, da sie nicht mitmachen durfte. Aber das hatte sie sich schließlich selbst zuzuschreiben. Sie packte ihren Block in die Tasche und lehnte sich gegen die Wand. *Ach Bella! Warum muss ich hier ewig sitzen??* Max fuhr sich durch die Haare und verwuschelte sie nochmals. Wenn sie Zeit und Lust hatte würde sie Wasser holen fürs Duschen. Aber jetzt konnte sie nur auf das Mittagessen warten, dass ihr noch ewig entfernt schien.
Dummerweise hatte sie ihre Uhr vergessen. Die Uhr hätte ihr aber auch nichts gebracht, schließlich war einmal Wasser reingekommen und sie hatte seitdem einen Wasserschaden. Sie ging zwar noch, aber die Ziffern könnte man nicht einmal mehr erahnen, aber man wusste immerhin ungefähr wie spät es war.
Sie dachte wieder an den Nachmittag. Würden sie das Fahnenspiel spielen? Würde sie dabei sein können? Oder würde sie mit Bella stundenlang Theorie Unterricht nehmen müssen?

Das laute Scheppern der Klingel ließ sie alle hochschrecken.
Prisco wäre am liebsten aufgesprungen, doch geradenoch rechtzeitig hielt er sich zurück, in Bedacht auf seine Schmerzen.
So wie es sich anfühlte, wäre sein Knie wahrscheinlich bei dieser rückartigen bewegung zerbrochen.
In der Mittagspause würde er sich schonen müssen und das Bein kühlen um den Schmerz einzudämmen, solange das Fahnenspiel andauerte.
Unbewusst glitt seine linke Hand zum Knie herunter und tastend prüfte er, ob der Schmerz geschwunden war.

Nein... Alles in ihm bäumte sich auf, doch er selbst streckte nur den Rücken kerzengerade durch um den Schmerz Raum zu machen und seine Augen flackerten kurz grell auf.

Sein Blick wanderte zu Bella hinüber.
Die Stunde war vorbei und überzogen hatte sie noch nie. Vielleicht würde sie Leeroy noch werfen lassen, aber mit Sicherheit konnte er das nicht sagen.
Er beschloss in dieser sache den ersten Schritt zu machen und sich langsam in richtung Mitte der Halle zu bewegen, wie sie es immer taten.
Er wusste, dass die anderen ebenso handeln würden, Max, Aisha ...
Er würde sich zu Noelle gesellen und dort warten, so war er niemandem im Weg und fast außer Gefahr ein Messer ab zu bekommen.
Das einzige Problem an der sache war der weg zu Noelle...

Prisco biss sich auf die Zunge und wandte sich in Noelles Richtung.
Langsam musste er laufen, das linke Bein entlastend...
Noch bevor Prisco den ersten Schritt tat, überlegte er es sich anders.
Nein, bis zu noelle würde er es wohl nicht unentdeckt schaffen, aber ein paar langsame Schritte würden wohl drin sein.

Langsam, beinahe schlendern ging Prisco einen Schritt nach vorne, doch sein linkes Knie zitterte unter der Anstrengung und gab leicht zur Seite nach.
Prisco hielt inne und spürte das Pulsieren in seinem Kniegelenk.
Er zwang sich einige Schritte weiter nach vorne, wobei man das linke Knie von der Kompetenz her nicht vom rechten unterscheiden konnte, denn das Beben unterdrückte Prisco.

Ja, mit viel Ruhe in der Mittagspause, würde er das Fahnenspiel schon hinbekommen.
Es war zwar mehr oder weniger ein Rennspiel und die Kämpfe waren strapazierend, aber mit der entsprechenden Ruhe vorher... Doch, er müsste es schon hinbekommen und im Ernstfall konnte er jederzeit aufhören...

Prisco blieb stehen.
Ja, es war bei dem unsicheren Schritt am Anfang geblieben, beim Rest hatte er den pochenden Schmerz ignoriert und aus seinen Schritten ausgeblendet.
Er stand mehrere Meter hinter Noelle und wartete auf Bellas Worte, die sie in die Pause entließen und ihn wohl leider zum Gespräch rufen würden...

Bella
schaute auf die Uhr und runzelte die Stirn. Es war kurz vor Unterrichtsschluss und sie würde noch mich Prisco reden wollen. Also zuckte sie die Achseln und sah zu Leeroy: "Es ist schon spät. Die Messerübung werden wir ein anderes Mal forführen!"
Mit diesen Worten entließ sie die Klasse ihrer Freizeit, aber nicht ohne Prisco zu sich zu winken. Sie musste nun einiges klarstellen. Ohne zu sehen ob er reagierte setzte sie sich in Bewegung um die hervorgeholten Trainingsgeräte zu verstauen. Als sie aus den Augenwinkeln sah, wie eine Person - Prisco - neben sie trat, fing sie langsam und leise, aber kalt, an zu sprechen: "Also Prisco, ich denke du solltest mir das sagen, was du mir die ganze Zeit sagen willst. Ich kann sehen, dass du dich immer mühsam zurückhältst, mir aber trotzdem alle möglichen Dinge an den Kopf werfen würdest. Also nun, was hast du zu sagen?"

Prisco war Bella mit zusammengebissenen Zähnen gefolgt.
Erstens, weil er die Chance verpasste endlich mit Leeroy reden zu können, und zweitens wegen dem Schmerz in seinem Knie.

Als Bella ihre Worte an ihn richtete fuhr er innerlich zurück.
Was meinte sie damit?
Er konnte doch nicht ...
Er konnte ihr jetzt doch nicht ernsthaft die Meinung geigen ...
Oh doch, er konnte, aber so wenig Respekt hatte er dann doch nicht...

Er senkte den Blick, während er nach Worten suchte, die nicht zu respektlos klangen: "Du kennst sie doch schon, Bella. Du weißt, was ich denke. Und was ich von deinen ewigen Messerübungen halte. Warum sollte ich mich verstellen? Jeder weiß, dass ich sie nicht ausstehen kann, und doch trainieren wir jeden Tag aufs Neue mit den Messern. Jeden Tag komme ich ins Klassenzimmer und bin mir schon sicher, dass wir wieder nur eine neue Messertechnik durchnehmen werden." , mit jedem gesprochenen Wort wurde Prisco sicherer und sein impulsives Temperament drohte zu entfachen. "Aber das ist ja nichtmal das, was mich am meisten stört, Bella. Du hast irgendetwas gegen mich, auch wenn ich beim besten Willen nicht weiß, was. Mein offenkundiger Messerhass ist es ja anscheinend nicht und auch, wenn du darauf beharrst mich nicht anders, als die anderen zu behandeln...", Priscos gesamter Körper war angespannt, während er weitersprach.
Alles in ihm befahl ihm keinen Muskel des Knies zu rühren, jetzt, wo Bella in unmittelbarer Umgebung war. Er wusste nicht genau, wie er den Rest formoliert hatte, aber irgendwann war er fertig.
Die ganze Zeit hatte er den Gesichtsausdruck bewahrt, mit einer gewissen Kühle darin und einer Spur Abwesenheit und Härte in den Zügen.

Dann schwieg Prisco, wartete auf das, was Bella erwidern würde, wenn sie das überhaupt tat, und betete innerlich, dass sie sein verletztes Knie nicht bemerkte. Sein gesamter Körper spannte sich an, während er wartete.

Bella
hielt einen Moment mit ihren Aufräumarbeiten inne und sah Prisco an - lange. Nach zwei Minuten wandte sie den Blick ab der zwischen Priscos beiden Augen hin und hergehuscht war, aus den Augenwinkeln hatte sie jedoch auch andere Details an seinem Körper und dessen Haltung beobachtet um seine Gedanken erraten zu können.
Schließlich sagte sie geradeheraus, ohne große Umweife oder ohne es durch die Blume zu sagen: "Das ist nicht was du denkst!" Sie wartete gar nicht auf seine Antwort sondern verstaute eine der Zielscheiben in einem Raum dessen Tür kaum Sichtbar in der Turnhallenwand war. Als sie zurückkahm stand Prisco noch genau da wo sie ihn zurückgelassen hatte, doch etwas in seiner Miene war verändert. Bevor er etwas sagen konnte fügte sie hinzu: "Aber auch egal, ich habe verstanden was du mir sagen möchtest, und meine Antwort lautet: Nein! Ich habe weder etwas gegen dich, noch gegen deine Abneigung gegen das Messerwerfen - obwohl mir deine fehlende Begeisterung schon etwas auf den Wecker geht! Was mich stört, ist deine eiserne Entschlossenheit nicht mehr Energie ins Messerwerfen oder in meine Übungen zu stecken als nötig um die Übungen mit ach und Krach abzuschließen. Ich kann nichts dafür, dass ich so viel Messer werfe, so wurde es von Anfang an vorgeschrieben da dies die schwierigste Kunst ist!" Priscos Gesichtsausdruck verriet ihr eine trotzige Antwort seinerseits, deshalb ergänzte sie schnell: "Natürlich ist der Schwertkampf anspruchsvoll doch es ist um einiges leichter die Grundkenntisse des Schwertkampfes zu erlernen als die des Messerwerfens. Ich würde mich um mehr Leistung deinerseits freuen und dir als Gegenleistung mehr Schwertkampfstunden anbieten, einverstanden?"